Hilde Zaloscer (1903–1999)

Anna Günter

Geboren am 15. Juni 1903 in Tuzla, Österreich-Ungarn (heute Bosnien-Herzegowina)
Gestorben am 20. Dezember 1999 in Wien, Österreich

Tätigkeit: Kunsthistorikerin, Professorin, Haushälterin, Gästeführerin

Migration: Ägypten, 1936 | Österreich, 1947 | Ägypten, 1947 | Österreich, 1968 | Kanada, 1970 | Österreich, 1974

„Inzwischen habe ich verstanden, daß die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, verlorenen Orten im Grunde nichts anderes ist, als die Sehnsucht nach sich selbst, nach jenem glücklichen Wesen, das man einst war.“ Hilde Zaloscer, Eine Heimkehr gibt es nicht. Ein österreichisches curriculum vitae, Wien 1988, S. 11. Die österreichische Kunsthistorikerin Hilde Zaloscer kämpfte zeitlebens mit Gefühlen der Heimatlosigkeit und dem Wunsch, zu den Orten zurückzukehren, die ihr durch Flucht und Vertreibung geraubt worden waren. Zwei Jahre vor dem ‚Anschluss‘ Österreichs 1938 fand sie im ägyptischen Exil ein neues Zuhause und kehrte 1968 unfreiwillig nach Wien zurück. Obwohl Zaloscer auch nach ihrer Flucht eine Verbindung zur deutschsprachigen Kultur aufrechterhalten hatte, fühlte sie sich später wie eine Fremde in Österreich und betrauerte bis zu ihrem Tod ihre Zeit in Ägypten.

  • Anna Günter

Abb. 1: Porträt von Hilde Zaloscer in Ägypten, um 1940; Nachlass Hilde Zaloscer, Institut Wiener Kreis, Privatarchiv John Sailer.

Frühe Kindheit und Erster Weltkrieg


Hilde Zaloscer wurde 1903 als eines von drei Kindern einer großbürgerlichen jüdischen Familie in Tuzla geboren. Tuzla und auch Banja Luka, wo sie ihre Kindheit verbrachte, gehörten bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Ihr Vater Jacob Zaloscer (1869–1951) arbeitete als Verwaltungsjurist in der Donaumonarchie, ihre Mutter Bertha Zaloscer geborene Kallach (1881–1939) war Pianistin. Religion und Politik hätten laut Zaloscers Memoiren, die 1988 in Wien erschienen, keine Rolle in ihrer Kindheit gespielt. Erst spät wurde sie sich ihrer jüdischen Herkunft bewusst. Allerdings sprach die Familie Zuhause Deutsch und Französisch, und Zaloscers Eltern legten großen Wert darauf, dass ihre Kinder mit literarischen Klassikern deutscher und französischer Autoren vertraut waren. Mit dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie im Jahr 1918 fand Zaloscers behütete Kindheit ein jähes Ende: Die Familie musste aus Bosnien fliehen, das Teil des neugegründeten Königreichs Jugoslawien wurde, und sich eine neue Existenz in Wien aufbauen.

Abb. 2: Hilde Zaloscer (rechts) und ihre jüngere Schwester Erna um 1911, Foto von Johann Patzelt; Nachlass Hilde Zaloscer, Institut Wiener Kreis, Privatarchiv John Sailer.

Ausbildung und Erfahrungen von Antisemitismus


In Wien besuchte Zaloscer die Schule und legte ihr Abitur ab. 1921 schrieb sie sich für Kunstgeschichte an der Universität Wien ein. Die 1920er Jahre waren in der österreichischen Hauptstadt von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Parteien auf beiden Seiten des politischen Spektrums geprägt. Zaloscer nahm diese zunehmende Polarisierung und den ansteigenden Antisemitismus allerdings erst nach Abschluss ihrer Promotion 1927 wahr, als sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Probleme hatte, eine Stelle in Österreich zu finden. Sie wurde zwar nach einiger Zeit als Redakteurin der Kunstzeitschrift Belvedere angestellt, dort aber immer wieder mit dem Antisemitismus ihrer Kollegen konfrontiert. Trotz weiterer Fortbildungen im Bereich der Buchbinderei, Innenarchitektur und Reproduktionstechniken verschlechterten sich Zaloscers Zukunftsaussichten Anfang der 1930er Jahre so stark, dass sie sich schließlich zur Emigration entschloss.

Emigration nach Ägypten


1936 wurde Zaloscer über Bekannte eine Stelle als Haushälterin in Alexandria vermittelt. Diese Stelle entsprach nicht ihren Qualifikationen, aber ein Neuanfang dort erschien ihr offenbar vielversprechender als ihre beruflichen Aussichten in Wien. Eine sogenannte Dienstboten-Emigration bot vor allem Jüdinnen die Chance, ihr Heimatland zu verlassen, brachte sie aber – wie Zaloscers Fall zeigt – auch in eine prekäre Abhängigkeit vom zukünftigen Arbeitgeber.

Im August 1936 trat Zaloscer ihre Stelle als Haushälterin bei Dr. Ahmed el-Nakeeb (?–?) an, der zu diesem Zeitpunkt Direktor des Al-Moassat Krankenhauses in Alexandria war. Zaloscer fand sich schnell mit ihrer neuen Tätigkeit zurecht und übernahm die Koordination aller anderen Haushaltsbediensteten. Aufgrund ihrer europäischen Herkunft kam es jedoch schnell zu Konflikten mit der Familie, da sie in dem durch den britischen Kolonialismus geprägten Spannungsverhältnis zwischen der ägyptischen Bevölkerung und der europäischen Oberschicht einen schwierigen Stand hatte. Allerdings führten letztlich nicht die kulturellen Unterschiede dazu, dass Zaloscer bereits nach fünf Monaten ihren Dienst als Haushälterin quittierte. Stattdessen gab sie später an, die Hausherrin hätte sie aus Eifersucht drangsaliert und so ihre Kündigung erzwungen.

Ohne finanzielle Absicherung oder Aussicht auf eine neue Stelle ging Zaloscer mit der Kündigung ein großes Risiko ein. Trotz dieser prekären Situation entschied sie sich, in Ägypten zu bleiben und sprach später von der großen Faszination, die die ägyptische Kultur auf sie ausgeübt hatte. Da sie ihren Job als Haushälterin aufgab, verdiente Zaloscer ihren Unterhalt als Gästeführerin und freie Autorin.

Vereine und Exilgemeinschaften in Ägypten


Bereits kurz nach ihrer Ankunft in Alexandria konnte Zaloscer Kontakte zu der dort ansässigen Ortsgruppe des Vereins akademischer Frauen knüpfen und fand so eine neue Unterkunft. Zaloscer war bereits in Wien Mitglied des Vereins gewesen, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts in London gegründet hatte und international gut vernetzt war. Durch die Mitgliedschaft in weiteren Vereinen und Clubs machte Zaloscer Bekanntschaft mit anderen Emigrant:innen, wodurch sie sich ein soziales Umfeld in Ägypten aufbauen und neue berufliche Perspektiven erschließen konnte. „Kannte man einen Emigranten“, so Zaloscer rückblickend, „wurde man herumgereicht, lernte neue kennen und wurde allmählich in die Emigrantenkolonie integriert.“ Hilde Zaloscer, „Das Dreimalige Exil“, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft: Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940, Bd. 1, Wien 1987, S. 544-572, hier S. 554.

Abb. 3: Hilde Zaloscer während eines Ausflugs zur Kitchener-Insel in Ägypten, undatiert; Nachlass Hilde Zaloscer, Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus Wien, Privatarchiv John Sailer.

Zaloscer unterhielt dabei vor allem Kontakte zu den größeren deutschen und französischen Gemeinschaften, da die Zahl der österreichischen Emigrant:innen in diesem Zeitraum vergleichsweise überschaubar blieb. Sie hielt Vorträge im Atelier, Groupement des Artistes und gehörte der Société Royale d’Archéologie und der Société d’Archéologie Copte an, zwei wissenschaftlichen Gesellschaften, die 1893 in Alexandria und 1934 in Kairo gegründet worden waren. Für Zaloscer erwuchs aus diesen Zugehörigkeiten ein Selbstvertrauen und das Gefühl, in Ägypten eine neue Heimat gefunden zu haben. Allerdings äußerte sie sich später auch kritisch über diese geschlossenen Gesellschaften europäischer Emigrant:innen, da sich in ihnen zunächst kein Bewusstsein für die Folgen des Kolonialismus und die Diskriminierung der ägyptischen Bevölkerung entwickelte. Ägypten, das seit 1882 unter britischer Kontrolle stand, hatte zwar 1922 formell seine Unabhängigkeit erlangt, unterstand aber bis zum Erlangen seiner tatsächlichen Souveränität der ,Schutzmacht‘ Londons. Erst in späteren Jahren übte Zaloscer deutliche Kritik daran, dass Ägyptern systematisch führende Posten verwehrt und ihnen nicht die gleichen Chancen auf Bildung wie den Europäer:innen eingeräumt wurden.

Der ‚Anschluss‘ Österreichs und Scheinehe mit einem Ägypter


Bereits vor der deutschen Besatzung Österreichs im März 1938 hatte Zaloscers Familie sie eindrücklich vor einer Rückkehr nach Wien gewarnt, sodass sie sich mit Ägypten als Exil abfand. Allerdings konnte sie im Sommer 1939 ihren Vater und ihre Schwester Erna Zaloscer (1908–2004) in Paris treffen, da der Familie noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Flucht aus Österreich gelungen war. Ihre Mutter war in der französischen Hauptstadt kurz nach der gemeinsamen Flucht aus Wien verstorben, während ihre jüngste Schwester nach Jugoslawien geflohen war.

Als Zaloscer aus Paris nach Ägypten zurückkehrte, sah sie sich zum wiederholten Male mit einer unsicheren Zukunft konfrontiert. Ihre Haupteinnahmequelle – archäologische und kunsthistorische Führungen – fiel infolge des Zweiten Weltkriegs fast gänzlich weg. Zudem wurde Zaloscer als österreichische Staatsbürgerin in Ägypten, das unter britischer Besatzung stand, zum enemy alien erklärt. Um einer drohenden Internierung als ,feindliche Ausländerin‘ oder Ausweisung nach Österreich zu entgehen, ging sie 1939 eine Scheinehe mit einem Ägypter ein und erlangte so die ägyptische Staatsbürgerschaft.

Abb. 4: Pass von Hilde Zaloscer aus ihrer Zeit im ägyptischen Exil; Nachlass Hilde Zaloscer, Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus Wien, Privatarchiv John Sailer.

Nicht nur in Ägypten spielten Schein- oder Schutzehen für deutschsprachige Jüdinnen eine wichtige Rolle als Schutzinstrument vor Ausweisung und Diskriminierung, teilweise wurden sie sogar durch Institutionen wie das jüdische Krankenhaus in Alexandria vermittelt. In Zaloscers Fall stellte ein befreundetes Ehepaar den Kontakt zu einem ägyptischen Fabrikangestellten her, der sie gegen Zahlung von 50 Pfund heiratete und somit ihren Verbleib im Land sicherte. Zaloscer nahm den Namen ,Samira Shukri‘ an und trat während der Trauung formal zum Islam über. Der Kontakt zu ihrem Ehemann, der kurz darauf verstarb, sollte sich allerdings auf die Hochzeitszeremonie beschränken. Für Zaloscer war die Eheschließung letztlich eine pragmatische Abwägung, die ihr das unmittelbare Überleben sicherte. Weder ihrem ägyptischen Ehemann noch dem Islam fühlte sie sich verpflichtet.

Zweiter Weltkrieg und Rückkehr nach Wien


Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs erklärte sich Ägypten zunächst neutral, wurde aber schnell zum Ziel von deutschen und italienischen Angriffen, da es eine tragende strategische Rolle als militärischer Stützpunkt im östlichen Mittelmeer für die Alliierten spielte. Infolgedessen erlebte Zaloscer im Juni 1940 die ersten Bombenangriffe auf die Hafenstadt Alexandria durch die italienische Luftwaffe. Während des Krieges unterhielt sie Kontakte zu Mitgliedern der ,Jüdischen Brigade‘, die sie über einen jüdischen Soldatenclub kennengelernt hatte. In den Gesprächen mit diesen Soldaten, die sich 1944 innerhalb der britischen Armee als eine eigene Einheit formiert hatten, wurde sie zum ersten Mal mit Berichten über den Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 konfrontiert. Nach Ende des Krieges konnte Zaloscer in Erfahrung bringen, dass ein Großteil ihrer Familie in die USA geflohen war. Auch ihre jüngste Schwester, Ruth Zaloscer (1911–1998), die in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert worden war, hatte überlebt.

Nachdem ihr Vater und ihre Schwester 1947 nach Wien zurückgekehrt waren, beschloss Zaloscer, sich mit ihnen dort ein neues Leben aufzubauen. Sie kehrte in der Hoffnung zurück, in Wien nun bessere Chancen zu haben und nicht mehr das gleiche Maß an Antisemitismus vorzufinden. Zaloscer wurde jedoch schnell enttäuscht von dem, was sie in der späteren Bundeshauptstadt vorfand: Statt eines Neuanfangs erkannte sie, dass ehemalige Unterstützer des Nationalsozialismus dort immer noch führende Posten innehatten. Wütend über den Mangel an Aufarbeitung sah Zaloscer keine Perspektive für sich in Österreich und kehrte noch im selben Jahr wieder nach Ägypten zurück.

Zurück in die neue Heimat Ägypten


Als Zaloscer Ende der 1940er Jahre nach Alexandria zurückkehrte, verbesserte sich ihre Situation schlagartig. Der bekannte ägyptische Schriftsteller Taha Hussein (1889–1973), den sie persönlich kannte, war zum Bildungsminister ernannt worden und berief sie als Professorin für Kunstgeschichte an die Universität in Alexandria. Die Ernennung zur Professorin markierte für Zaloscer einen Wendepunkt in ihrem Verhältnis zu Ägypten, das sie jetzt nicht mehr als Exil, sondern als neue Heimat verstand. Auch ihr Selbstverständnis blieb davon nicht unberührt, war sie doch keine Emigrantin mehr, sondern eine „ägyptische Beamtin an einer ägyptischen Universität, mit ägyptischen Kollegen [und] ägyptischen Studenten.“ Zaloscer, Heimkehr, S. 124.

Abb. 5: Hilde Zaloscer (vorne links sitzend) mit ihren Studentinnen in Alexandria, um 1965; Nachlass Hilde Zaloscer, Institut Wiener Kreis, Privatarchiv John Sailer.

Mehr als zehn Jahre nach ihrer ersten Ankunft in Ägypten fühlte sich Zaloscer angekommen und musste sich keine Sorgen mehr um ihr Auskommen machen. Allerdings bemerkte sie auch, dass sich das Land – das 1936 seine Unabhängigkeit erlangt hatte – im Umbruch befand und die politische Situation sehr instabil war. Ein erstarkender ägyptischer Nationalismus und mehrere verlorene Kriege gegen den 1948 gegründeten Staat Israel gaben Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Ägypten Auftrieb. Schon in den 1930er Jahren waren vonseiten der ,Muslimbruderschaft‘ antisemitische Ressentiments geschürt worden. Als Jüdin aus Wien fand sich Zaloscer nun aber besonderen Diffamierungen ausgesetzt. So wurde sie mehrfach bei den Behörden der Spionage bezichtigt und auf der Straße offen angefeindet.

Der ,Sechstagekrieg‘ und Flucht aus Ägypten


Nach dem Ende des sogenannten Sechstagekriegs im Jahr 1967 verschlechterte sich die Situation für Jüdinnen und Juden in Ägypten dramatisch. Jüdische Vermögen wurden konfisziert und alle jüdischen Männer zwischen 16 und 60 Jahren interniert. Schätzungen zufolge lebten 1927 ungefähr 80.000 bis 85.000 Jüdinnen und Juden in Ägypten. Infolge kriegerischer Auseinandersetzungen mit Israel, die mit Fluchtbewegungen und wachsenden Repressionen einhergingen, schrumpfte ihre Zahl nach 1967 schließlich auf 2.500.

Zaloscer selbst wurde mehrfach nachts von der Polizei zum Verhör abgeholt und unter Hausarrest gestellt. Die Professorin begann um ihre Sicherheit zu fürchten und ihre Flucht aus Ägypten zu planen. Allerdings stellte sie nun die ägyptische Staatsbürgerschaft, die sie während des Zweiten Weltkriegs geschützt hatte, vor ein Problem. Als ägyptische Staatsbürgerin brauchte sie ein Ausreisevisum, um das Land zu verlassen. Nur unter Schwierigkeiten und durch Intervention eines Bekannten erhielt sie ein zweiwöchiges Visum für den Besuch ihrer Familie in Wien. Zaloscer war zu diesem Zeitpunkt aber bereits bewusst, dass sie nicht nach Ägypten zurückkehren würde. Im August 1968 verabschiedete sie sich von ihrem Leben in Alexandria.

Abb. 6: Hilde Zaloscer in Wien, undatiert; Nachlass Hilde Zaloscer, Institut Wiener Kreis, Privatarchiv John Sailer.

Exil in Wien und Gastprofessur in Kanada


Im Alter von 65 Jahren kehrte Zaloscer nach Wien zurück – eine Stadt, die sie nicht mehr als Heimat, sondern als neues Exil verstand. Sie fühlte sich dort wie eine Fremde und verfiel in eine schwere Depression, auch weil sie keine neue Stelle fand und unter starken Geldsorgen litt. Für eine Gastprofessur in Ottawa verließ Zaloscer schließlich die Stadt 1970 noch einmal für vier Jahre und lehrte im Anschluss an der Universität Wien.

Obwohl sie zeitlebens eine Verbindung zur deutschsprachigen Kultur aufrechterhielt und insbesondere die Werke deutscher Literaten eine zentrale Rolle in ihrem Leben einnahmen, fühlte sich Zaloscer in Ägypten, wo sie den Zweiten Weltkrieg als Jüdin überlebt hatte, mehr beheimatet als in Österreich. Das erklärt auch, warum sie ihre Flucht aus Alexandria so lange wie möglich hinauszögerte, nachdem bereits die Mehrheit der Jüdinnen und Juden Ägypten fluchtartig verlassen hatte.

Abb. 7: Die Memoiren von Hilde Zaloscer, veröffentlicht im Wiener Löcker Verlag 1988.

Der mehrfache Verlust von Heimat stellte für Zaloscer eine traumatische Zäsur in ihrer Biografie dar, die sie in ihren Memoiren mit dem vielsagenden Obertitel Eine Heimkehr gibt es nicht (1988) aufgriff. Sie erschienen zu einer Zeit, als sich die österreichische Öffentlichkeit erstmals intensiver mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen begann. Die Exilerfahrung wurde für Zaloscer zu dem Schlüsselerlebnis, über das sie sich selbst und ihr akademisches Werk definierte. Sie starb 1999 im Alter von 96 Jahren in Wien.

Auswahlbibliografie


Alisa Douer, „Hilde Zaloscer – Eine Biografie“, in: Margit Franz/Heimo Halbrainer (Hg.), Going East – Going South: Österreichisches Exil in Asien und Afrika, Graz 2014, S. 177-191.
Alisa Douer, Ägypten – die verlorene Heimat: Der Exodus aus Ägypten, 1947–1967, Berlin 2014.
Irene Messinger, „Schutz- und Scheinehen im Exilland Ägypten“, in: Margit Franz/Heimo Halbrainer (Hg.), Going East – Going South: Österreichisches Exil in Asien und Afrika, Graz 2014, S. 195-210.
Irene Messinger, „Hilde Zaloscer – Eine interreligiöse mariage blanc in Ägypten“, in: Irene Messinger/Sabine Bergler (Hg.), Verfolgt. Verlobt. Verheiratet – Scheinehen ins Exil, Begleitpublikation des Jüdischen Museums Wien, Wien 2018, S. 46-53.
Hilde Zaloscer, „Das Dreimalige Exil“, in: Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft: Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940, Bd. 1, Wien 1987, S. 544-572.
Hilde Zaloscer, Eine Heimkehr gibt es nicht. Ein österreichisches curriculum vitae, Wien 1988.

Weiterführende Inhalte


Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), Wien, Sammlung “Erzählte Geschichte,“ Interview Nr. 416.

Literatur von und über Hilde Zaloscer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&query=119114461

Denkmal für Ausgegrenzte, Emigrierte und Ermordete des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien, Eintrag Hilde Zaloscer: https://geschichtegesichtet.univie.ac.at/h_zaloscer.html

Sonderausstellung des Jüdischen Museums Wien Verfolgt. Verlobt. Verheiratet. Scheinehen ins Exil. Die Kuratorinnen Irene Messinger und Sabine Bergler erzählen, wie eine Scheinehe für Hilde Zaloscer zur Überlebensstrategie wurde, 2018: https://www.youtube.com/watch?v=MOh9d0Ef9s4

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Zur Autorin

Anna Günter studierte Anglistik und Geschichte im Bachelor an der Universität Bielefeld. 2023 schloss sie ihren Master in Geschichte an der Missouri State University mit einer Arbeit über die Racheakte und -fantasien jüdischer Holocaustüberlebender in Wien ab, die den Missouri State University Distinguished Thesis Award in der Kategorie Humanities erhielt. Mit ihrer Arbeit „The 1931 Biatorbágh Train Attack as an Example of Political Polarization of Austrian Newspapers in the Interwar Period” gewann sie 2024 den Journal of Austrian Studies Graduate Student Essay Prize. Zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs erschien ihr Beitrag „Jüdische Rache nach dem Holocaust: Kritische Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur statt erfolgreicher Versöhnung“ auf zeitgeschichte|online. Im Herbstsemester 2025 beginnt sie mit ihrem PhD an der Northwestern University.

Zitationsempfehlung und Lizenzhinweis

Anna Günter, Hilde Zaloscer (1903–1999), in: Geschichte[n] der deutsch-jüdischen Diaspora, 18.06.2025. <https://diaspora.juedische-geschichte-online.net/beitrag/gjd:article-30> [18.06.2025].

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