Registereinträge der Zwillinge Ernst (1925–1941) und Rudolf Farnbacher (1925–1946)

Quellenbeschreibung

Infolge der Novemberpogrome 1938 versuchten zehntausende Jüdinnen und Juden, das Deutsche Reich zu verlassen. Obwohl weiterhin strenge Einreiseregelungen galten, erklärte sich Großbritannien gemeinsam mit anderen Ländern dazu bereit, jüdische Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Die sogenannten Kindertransporte nach Großbritannien zwischen 1938 und 1939 wurden zu einer der größten Rettungsaktionen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Zwei der rund 10.000 geretteten ,Kinder‘, wie sich die Teilnehmenden heute bezeichnen, waren die in Augsburg geborenen Zwillinge Ernst (1925–1941) und Rudolf Farnbacher (1925–1946). Während die Transporte Tausende vor der Ermordung in der Schoa bewahrten, brachten sie den beiden Brüdern allerdings nur vorübergehende Rettung: Wie der Registereintrag des englischen Bezirks Howdenshire bei Leeds belegt, beging Ernst Farnbacher zwei Jahre nach der Ausreise im Alter von nur 16 Jahren Selbstmord. Der zuständige Arzt attestierte, dass der Suizid durch Strangulation vollzogen worden sei, „während das Gleichgewicht seines Verstandes aus der Balance geraten war“. Fünf Jahre später stellte der District Hendon bei London mit Verweis auf das Gift Kaliumcyanid einen nahezu identisch lautenden Eintrag aus: Im Alter von 21 Jahren nahm sich 1946 auch Rudolf Farnbacher das Leben. Vermutlich hatte er kurz zuvor erfahren, dass seine Eltern in Auschwitz ermordet worden waren.

Suizide waren unter den rund 10.000 nach Großbritannien geretteten jüdischen Kindern und Jugendlichen sehr selten. Die Registereinträge der Farnbacherzwillinge machen eindrücklich die enorme psychische Belastung deutlich, mit denen die jungen Teilnehmenden konfrontiert waren. Zudem fügen sie den Transporten, die bis heute als tragische, aber vor allem erfolgreiche Rettungsaktion gewertet werden, eine noch immer wenig beachtete Perspektive hinzu.

Weiterlesen >

Empfohlene Zitation

Registereinträge der Zwillinge Ernst (1925–1941) und Rudolf Farnbacher (1925–1946), veröffentlicht in: Geschichte[n] der deutsch-jüdischen Diaspora, <https://diaspora.juedische-geschichte-online.net/quelle/gjd:source-8> [14.06.2025].