Neun Seiten umfasst die maschinenschriftliche Liste mit den Namen von 424 Personen, die am 11. Juni 1941 die Kronkolonie Zypern verließen. Dass sie dies nicht freiwillig taten, sondern während des Zweiten Weltkriegs evakuiert wurden, ergeben weitere Quellen. Bei den 424 Menschen auf der Liste handelte es sich um europäische Jüdinnen und Juden, die im Kriegsjahr 1941 auf der Mittelmeerinsel lebten. Zypern war seit 1878 in britischem Besitz. Lange Zeit hatten dort nur sehr wenige Jüdinnen und Juden gelebt, ein paar verstreut in den Städten, einige mehr in zwei landwirtschaftlichen Siedlungen. Aber die brutalen Verfolgungen von Jüdinnen und Juden in Deutschland und später in Österreich hatten bis 1939 zur Folge, dass Angehörige der religiösen Minderheit nicht nur in Palästina, den USA oder Australien eine Zuflucht suchten, sondern auch in weniger bekannten Ländern. So kamen trotz restriktiver Einreisebestimmungen einige Hundert Jüdinnen und Juden nach Zypern. Im Mai 1941 waren es rund 460 Menschen, darunter 163 österreichische und 92 deutsche Flüchtlinge. Weiterhin lebten 120 Jüdinnen und Juden freiwillig dort, darunter vor allem aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina. Für die meisten blieb Zypern nur eine Zwischenstation, ohne dass sich dort – wie etwa in den USA – eine Diasporakultur herausbildete.
Unter den laufenden Nummern 350 und 351 der Liste findet sich der Name „Slonim“ zusammen mit der Nationalität der beiden dort gelisteten Personen. Das Datum ihrer ersten Ankunft auf Zypern und ihr „Resident Status“ wurden jeweils handschriftlich vermerkt. Hinter dem Eintrag 350 verbarg sich der Farmer David Meir Slonim, der die palästinensische Staatsangehörigkeit besaß und das erste Mal im März 1933 auf Zypern registriert worden war. Unter der Nummer 351 fand sich seine Ehefrau Elsie Helga Slonim, die erstmals im Juli 1939 in Zypern an Land ging und US-amerikanische Staatsbürgerin war. Die meisten anderen gelisteten Jüdinnen und Juden besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Von Elsie Slonim geborene Kalmar und ihrem Lebensweg soll hier die Rede sein. Denn sie, geboren 1917 in New York und verstorben 2021 im Alter von 103 Jahren in Nikosia, steht stellvertretend für die deutschsprachigen jüdischen Flüchtlinge auf Zypern, und dies, obwohl ihr Lebensweg unvergleichlich und möglicherweise untypisch gewesen ist. Aber was heißt schon untypisch angesichts der Verfolgungen durch die Nationalsozialisten, des Krieges und eines Lebens immer auf dem Sprung?
List Showing The Persons Who Left The Colony On 11.6.41, veröffentlicht in: Geschichte[n] der deutsch-jüdischen Diaspora, <https://diaspora.juedische-geschichte-online.net/quelle/gjd:source-3> [08.05.2025].